Irrtümer über unsere Zähne

...(wie sie uns immer wieder in der Praxis begegnen)

Wer einen Apfel isst, braucht die Zähne nicht putzen, die Weisheitszähne schieben die anderen Zähne zusammen – zahlreiche Irrtümer und Mythen wie diese hören wir fast jeden Tag in unserer Praxis.

Wir wollen solchen Volksweisheiten, Mythen, Irrtümern oder wie man sie auch immer nennen mag ein Ende bereiten. Lesen Sie einfach im folgenden den Mythos und die entsprechend dazugehörige Wahrheit.


Mythos eins: Tüchtig schrubben bringt am meisten

Ganz das Gegenteil ist der Fall: Wer seine Zähne allzu sehr schrubbt, der scheuert nach und nach den schützenden Zahnschmelz herunter. Eine zu aggressive Putztechnik kann außerdem das Zahnfleisch zerstören und es somit zurückschieben und die empfindlichen Zahnhälse freilegen. Meist wird in der Hoffnung, den Belägen und Verfärbungen so richtig zu Leibe zu rücken, auch noch Zahnpasta mit rabiaten Schleifmitteln benutzt, die dem Schmelz ebenfalls schadet.

Wir empfehlen, nur mit leichtem Druck zu putzen. Ein kleiner Tipp: Üben sie den Druck an einer Waage (z.B. Küchenwaage): mit einer Belastung von 150 bis 200 Gramm ist der Druck auf die Zahnbürste genau richtig. Meist sind mittelharte Bürsten empfehlenswert. Sollten aber schon die Zahnhälse freiliegen, dann benutzen Sie lieber weichen Bürsten. Besonders empfehlenswert sind mittlerweile elektrische Zahnbürsten, deren rotierende oder oszillierende Bewegungen gründlich säubern, ohne Druck auszuüben.

Mythos zwei: Hauptsache von rot nach weiß putzen

Lange galt die Putzregel: Immer von rot, also vom Zahnfleisch, nach weiß, also zur Zahnkrone zu putzen. Wer jedoch die Bürste immer konsequent vom Zahnfleisch zur Kaufläche führt, kommt mit deren Borsten nicht unter den Zahnfleischrand. Und genau hier setzen sich Bakterien besonders gern fest und fördern dann Zahnhalskaries und/oder Parodontitis.

Wir empfehlen Zahnärzte die sogenannte modifizierte Bass- oder Rütteltechnik. Dafür setzt Sie die Zahnbürste in einem 45-Grad-Winkel genau am Zahnfleischrand an und bewegen sie mit leichten, rüttelnden Bewegungen auf der Stelle. Das holt Speisereste aus den Zahnzwischenräumen sowie Zahnfleischtaschen und löst Beläge. Die Rüttelbewegung führen Sie drei- bis viermal durch und wischen dann die Bürste mit einer leichten Drehbewegung vom Zahnfleisch weg.

Mythos drei: Sofort nach dem Essen bürsten

Bitte tun Sie das nicht. Ganz im Gegenteil zum Mythos ist das Putzen direkt nach jedem Essen sogar schädlich. Denn säurehaltige Speisen, wie beispielsweise Obst, Getränke mit hohem Säuregehalt (z. B. Cola oder Wein), erweichen kurzzeitig den Zahnschmelz; sie lösen einfach die Mineralien aus dem Zahnschmelz. Wird dann losgeschrubbt, so drohen Schäden im Zahnschmelz. Besser ist es, sich den Mund erst einmal nur mit Wasser auszuspülen und eventuell festgebissene Speisereste mit Zahnseide zu entfernen. Nach einer halben Stunde ist dann der Bürsteneinsatz wieder unbeschwert möglich.

Mythos vier: Fluor härtet den Zahnschmelz

Das ist so nicht richtig. Vielmehr so, dass in einem ständigen Kreislauf aus dem Zahnschmelz Mineralien herausgelöst und wieder eingebaut werden (siehe Mythos drei). Fällt aber der pH-Wert des Speichels unter 5.5, dann verläuft die Entmineralisierung schneller als das Wieder-Mineralisieren der Zähne. So entstehen mit der Zeit Erosionen und irgendwann sogar Löcher. Fluor hilft in diesem Mechanismus, dass sich Kalzium und Phosphor in den Schmelz wieder einlagern.


Mythos fünf: Zahnfleisch, das nicht blutet, ist gesund

Vollkommen richtig ist, dass Zahnfleischbluten ein sicheres Indiz für Zahnfleischentzündungen und Parodontitis ist. Jedoch ist Zahnfleisch, das nicht blutet, trotzdem nicht automatisch gesund. Bei Rauchern zum Beispiel kann das Bluten auch in fortgeschrittenen Parodontitisstadien ausbleiben: Durch den Nikotinkonsum verengen sich ihre Blutgefäße so sehr, dass minimale Blutungen leicht zu übersehen sind, weil keine Blutung nach außen auftritt.

Auch Zahnseiden- oder Interdentalbürstenverweigerer wähnen sich schnell zu früh auf der sicheren Seite. Die meisten Entzündungen beginnen nämlich in den Zahnfleischtaschen, in die die Borsten nicht reichen. Die Folge: Der Entzündungsherd bleibt unangetastet und kann weiter vor sich hinvegitieren. UND: während des Zähneputzens ist kein Blut zu sehen.

Mythos sechs: Milchzahnpflege ist unwichtig

Es ist leider ein weit verbreiteter Irrtum, dass Milchzähne weniger Pflege brauchen, weil sie ja sowieso nach ein paar Jahren ausfallen. Viele Eltern machen sich deshalb um die ersten Zähne ihrer Kinder nur wenig Gedanken, ganz zum Leidwesen dieser unserer kleinsten Patienten. Doch treten einmal Schäden an den Milchzähnen auf, können sie häufig auch Konsequenzen für die nachwachsenden bleibenden Zähne haben. Darum sollte schon der erste Zahn, der noch im Säuglingsalter durchbricht, sorgfältig gepflegt werden.

Am wichtigsten ist es aber, dem sogenannten Saugerflaschenkaries vorzubeugen. Er kann entstehen, wenn ein Baby/Kind häufig an einem Fläschchen mit gesüßtem Kindertee saugt. Wir sehen dann in der Praxis die oft verheerenden Folgen. Dabei ist das Ausmaß nicht selten so groß, dass es sogar Kleinkinder gibt, die eine Prothese tragen müssen, weil der Zahnarzt ihnen alle Zähne ziehen musste.

Mythos sieben: Kaugummikauen erspart Zähneputzen

Glauben Sie nicht alles, was in der Werbung propagiert wird: Weder Kaugummi kauen noch spülen mit Mundwasser bilden jemals einen Ersatz für Zahnbürste, -creme und -seide. Jedoch regt fleissiges Kauen die Speichelproduktion an. Das führt zum einen dazu, dass Speisereste aus Zahnzwischenräumen geschwemmt werden können und zum anderen hilft der Kaugummi nach einer Mahlzeit, dass sich das sauere pH-Milieu im Mund schneller wieder auf einem optimalen Level einpendelt, wodurch Kariesbakterien weniger Chancen haben.

Mythos acht: Apfel ersetzt Zahnbürste

Der Irrtum, dass Äpfel die Zähne so gut putzen können wie Zahnbürste und zahncreme hält sich seit Jahrzehnten hartnäckig. Als Zahnpflegeersatz sind Äpfel denkbar ungeeignet: Apfelkauen kann zwar oberflächliche Beläge von den Zähnen holen, aber das Kauen holt weder Speisereste aus den brisanten Stellen am Zahnfleischsaum und in den Zwischenräumen, noch entfernt es irgendwelche Beläge von den Zähnen.

Äpfel enthalten neben Vitamin C viele Mineralstoffe. Aber sie enthalten auch Säuren, die den pH-Wert des Speichels ins Saure verändern und so den Schmelz angreifen. Der weiterhin enthaltene Fruchtzucker ist zudem wortwörtlich ein willkommenes Fressen für die Kariesbakterien – und wo die sich laben, entstehen aggressive Säuren, die die Zähne schädigen.

Mythos neun: Zucker zerfrisst die Zähne

Richtig, Zucker schadet den Zähnen. Falsch ist jedoch, dass er den Schmelz zerfrisst. Denn er greift nicht direkt an, sondern er dient als Kraftstoff für die Bakterien, die auf und zwischen den Zähnen sitzen. Die unerwünschten Untermieter der Zähne zersetzen mit Vorliebe Kohlenhydrate (Zucker). Dabei entstehen säurehaltige Stoffwechselprodukte, die schließlich zu Karies führen können.

Mythos zehn: Teetrinken schadet den Zähnen

Schwarzer Tee führt zu unschönen Verfärbungen der Zähne. In dem aromatischen Getränk stecken aber äußerst zahnfreundliche Stoffe. Dazu gehören neben Fluorid auch die sogenannten Tannine. Diese Bitterstoffe des Tees hemmen das Enzym Amylase, das im Speichel vorhanden ist und die in Lebensmitteln wie z. B. Kartoffeln enthaltene Stärke zu kariesförderndem Zucker umwandelt.

Zu den Nahrungsmitteln, die den Zähnen nutzen, gehören übrigens auch Milch und Milchprodukte. Ein Stück Käse beispielsweise schließt nach dem Essen nicht nur den Magen. Die enthaltenen Mineralstoffe, allen voran Kalzium und Phosphat, lagern sich zudem beim Prozess der Remineralisierung in den Zahnschmelz ein und halten Erosionen und Löcher auf.

Mythos elf: Zahnhygiene ist nur für den Mund wichtig

Sind Zähne krank, dann leiden meist auch der restliche Körper und der Geist. Bei Kindern etwa können Zahnschmerzen wegen Karies, immer noch der bei weitem häufigsten Kinderkrankheit, die Konzentration in der Schule beeinträchtigen. Daneben bedeutet die Umstellung auf leicht kaubare Nahrung oftmals eine Verschlechterung der Ernährung, was die Hirnentwicklung oder das Körpergewicht schädigen kann. Fehlende Mineralstoffe während der Schwangerschaft steigern hingegen das spätere Karies-Risiko des Ungeborenen und verkomplizieren auch die Geburt.

Mythos zwölf: Osteoporose schadet nur Rücken und Hüfte

Osteoporose kann selbstverständlich auch das Ende von Zähnen bedeuten. Denn der Gesichtsknochen, der die Zähne zusammenhält, kann ebenso brüchig werden wie andere Knochen auch. Damit macht sich fehlendes Kalzium, Vitamin D und K in der Ernährung im ganzen Knochensystem und somit auch im Kiefer bemerkbar. Um den Mundraum und seine tragenden Strukturen in Schwung zu halten, ist eine ausgewogene Ernährung unverzichtbar, denn Kieferknochen, Zahnfleisch, Lippen und Gaumen erneuern sich das ganze Leben lang.


Mythos dreizehn: Dritte Zähne verbessern die Ernährung

Ähnlich wie Zahnschmerzen wegen Karies oder Parodontitis wirkt sich auch ein künstliches Gebiss aus, das schlecht passt und daher schmerzt. Ältere Menschen, die davon betroffen sind, bevorzugen dann  automatisch Essen, welches sie wenig kauen müssen. Da steigt natürlich auch die Versuchung, zum Kuchen oder Süßgebäck zu greifen. Träger dritte Zähne (sog. Prothesen) sollten daher darauf achten, dass ihr Gebiss gut sitzt.


Mythos vierzehn: Karies ist erblich bedingt.

Ein schlimmer und fataler Irrtum für die Kinder! Zwar haben die Gene offenbar einen Einfluss auf das Kariesrisiko. Doch nicht jeder, der eine genetische Veranlagung dazu hat, bekommt automatisch Karies. Jetzt folgt eine Aussage, die die Eltern, die mit derartigen Aussagen zu uns kommen, ungern hören: Eine große Rolle bei der Kariesentstehung spielen was und wie wir essen sowie wie wir unsere Zähne pflegen.
Warum ist dann Karies oft in der ganzen Familie verbreitet ist? Weil sich viele Kinder Ernährung und Zahnpflege von ihren Eltern abschauen.

Schlagzeilen

Weisheitszähne haben mit Engständen an den vorderen Zähnen selten etwas zu tun

Das Thema kommt bei unseren Sprechstunden alle 3 bis 4 Wochen vor, wenn zum Beispiel wieder ein Jugendlicher Zahnspangenträger mit seinem großen Röntgenbild vom Kieferorthopäden zu uns geschickt wird. Der oder die Kollege/in wünscht von uns die Entfernung der Weisheitszähne. Warum und weshalb erfahren wir von der begleitenden Mutter: "Damit sich die Zähne vorne nicht verschieben". Dann folgt eine typische Auseinandersetzung zwischen uns und der Mutter über die wissenschaftliche Erkenntnis bezüglich der Weisheitszähne und deren Auswirkung auf einen frontalen Engstand. Leider hat diesem Fall der Kieferorthopäde keine zwei Sekunden über die von ihm veranlasste Zahnentfernung nachgedacht. Und würden wir das tun, was wir Deutsche am besten können, nämlich einfach ohne selber nachzudenken funktionieren, dann würden wir als der Hauszahnarzt an dieser Stelle dem Patienten die Weisheitszähne einfach entfernen. Schließlich verdienen wir damit unsere Brötchen. Das Spielchen spielen wir aber nicht mehr mit.

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