Neuropsychologie: Das hypnotisierte Hirn
Mit einem originellen Experiment hat ein amerikanischer Forscher die neurologische Wirkung der Hypnose untersucht
Amir Raz ist ein Zauberer – und ein Wissenschaftler dazu. Nach seiner Karriere als Illusionskünstler verschrieb sich Raz dem Studium der neurologischen Seite der Suggestion. Der Dozent an der New Yorker Columbia University hat ein aufsehenerregendes Experiment durchgeführt: Es erlaubt detaillierte Einblicke in die Wirkung der Hypnose auf das menschliche Gehirn. Für die Untersuchung wählte Raz acht Menschen aus, die einem psychologischen Test zufolge leicht zu hypnotisieren waren, sowie eine gleich große Kontrollgruppe, die sich als weitgehend resistent gegen Suggestion erwiesen hatte.
Erwartungsgemäß ließen sich acht Personen von Raz in Hypnose versetzen, während die anderen im Normalzustand verharrten. In dieser Phase wurde allen 16 Personen von Raz erzählt, sie sähen später eine Reihe unsinniger Wörter auf einem Computerbildschirm, und es sei ihre Aufgabe, auf ein verabredetes Kommando hin die Farbe der Schrift zu benennen.
Das war gelogen: Denn die tatsächlich gezeigten Wörter waren mitnichten sinnlose Zeichen, sondern stellten englische Farbbezeichnungen in unterschiedlicher Schriftfarbe dar. Wenn in einem solchen Fall etwa das Wort für "Rot" erscheint, das in grüner Farbe präsentiert wird, fällt es einer Versuchperson normalerweise sehr schwer, spontan die korrekte Farbe des geschriebenen Wortes anzugeben. Dieses Phänomen wird als Stroop-Effekt bezeichnet.
Die Hypnose-resistenten Versuchspersonen hatten die erwarteten Schwierigkeiten. Ganz anders diejenigen, die ihre Anweisung unter Hypnose erhalten hatten. Sie glaubten tatsächlich, die Wörter seien sinnlos – und infolgedessen fiel es ihnen sehr leicht, die Schriftfarbe korrekt zu benennen. Im Hirnscan ließ sich dann auch erkennen, dass die neurologische Aktivität bei der hypnotisierten Gruppe anders als bei der Kontrollgruppe war.
Offenbar schaltete die Suggestion diejenigen Areale aus, die zur Erkennung von Wörtern und deren Bedeutung nötig sind. Entsprechend trat kein Stroop-Konflikt auf – die übliche neurologische Reaktion im zingulären Cortex unterblieb. Weitere Experimente konnten zeigen, dass selbst einzelne neurologische Funktionen separat abgeschaltet werden können: Manche Versuchspersonen „füllen“ eine Kontur eines farbigen Objekts einfach nicht mit Farbinformation und sehen den Gegenstand schwarz-weiß.
Eine große Rolle bei der Wirkung der Suggestion spielt die Tatsache, dass nur ein Zehntel der Nervenfasern Information ans Hirn liefern ("bottomup"), die andere Information zur Wahrnehmung geht vom Hirn aus ("top-down"). Man sieht also vorwiegend das, was man erwartet – oder von anderen suggeriert bekommt. Als besonders anfällig erweisen sich junge Menschen: Etwa 80 bis 85 Prozent aller Kinder bis zwölf Jahre sind leicht hypnotisierbar; bei Erwachsenen sind es nur noch rund zehn bis 15 Prozent.